Feuerwehr im Gespräch: Spannende Rückblicke und ein Appell für mehr Respekt
„Feuerwehr im Gespräch“ blickte auf 50 Jahre Kreisfeuerwehrverband zurück und begrüßte Innenminister Herbert Reul als Unterstützer der aktuellen Respekt-Kampagne
Siegburg. Anlässlich des 50. Jubiläums des Kreisfeuerwehrverbandes des Rhein-Sieg-Kreises und für die Veranstaltung der Reihe „Feuerwehr im Gespräch“ kamen am 20. September namhafte Vertreter aus Politik, Verwaltung und Behörden sowie Organisationen mit Sicherheitsaufgaben in die Rhein-Sieg-Halle, allen voran NRW-Innenminister Herbert Reul. Der Journalist und Moderator Ralf Rohrmoser-von Glasow hatte zu zwei spannenden Gesprächsrunden eingeladen, die sich zunächst der Historie des Feuerwehrwesens im Kreis und anschließend der ganz aktuellen Thematik des Respekts gegenüber Einsatzkräften widmeten.
Eine Feuerwehr ohne Leitstelle, ein Kreis ohne professionellen Rettungsdienst, Helfer mit einfachsten Tragkraftspritzenanhängern und einigen ersten LF8 sowie eine rudimentäre Ausbildung, in welcher der Umgang mit gefährlichen Stoffen und Gütern oder komplexe technische Hilfeleistungen regelrechtes Improvisationsvermögen abverlangte – es waren aus heutiger Sicht tollkühne Zeiten, als der Rhein-Sieg-Kreis im Jahre 1969 durch die Kommunale Neugliederung entstand und damit auch der Grundstein für den heutigen Kreisfeuerwehrverband des Rhein-Sieg-Kreises e.V. gelegt wurde.
„Und doch haben wir auch damals Feuer gelöscht“, erinnerte Walter Jonas, von 1991 bis 2014 Kreisbrandmeister des Rhein-Sieg-Kreises, an jene Tage der Pionierarbeit. Gemeinsam mit Balthasar Schumacher, von 1981 bis 2002 stellvertretender Kreisbrandmeister, und Dr. Walter Kiwit, seit 1970 Dezernent, seit 1977 Kreisdirektor und von 1983 bis 1994 Oberkreisdirektor des Rhein-Sieg-Kreises, berichtete Walter Jonas von Meilensteinen der Feuerwehr im Rhein-Sieg-Kreis, aber auch von besonderen Einsätzen. Der Brand in einer Obdachlosenunterkunft am 16. Juni 1993 mit sechs Toten, ein schwerer Nebelunfall am 11. Januar 1985 mit sieben Toten und über 80 beteiligten Fahrzeugen, zwei Großbrände im Siegwerk und eine Not-Trinkwasserversorgung für Bad Honnef, als der Rhein nach einem Chemieunfall als Trinkwasserquelle ausfiel – an jene Einsatzlagen erinnerten sich die Führungskräfte bis heute ganz genau. Einsatzlagen, aus denen die Feuerwehr gelernt habe, Strategien entwickelt und das Wissen auch weitergegeben habe, berichtete Balthasar Schumacher, der 1985 selbst Lehrgänge für den Umgang mit gefährlichen Stoffen und Gütern (GSG) entwickelte. „Damals war die Feuerwehr im Rhein-Sieg-Kreis die erste Feuerwehr in NRW, die sich auf das Thema spezialisierte, Lehrgänge anbot und Pionierarbeit leistete“, betonte Walter Jonas.
Erst 16 Jahre zuvor, bei der Gründung des Rhein-Sieg-Kreises im Jahre 1969, war der professionelle Feuer- und Zivilschutz im Kreis noch sehr einfach aufgestellt, blickte Dr. Walter Kiwit zurück, der damals aus der Kölner Verwaltung nach Siegburg gewechselt war: „Eine Leitstelle gab es damals nicht. Es gab in den Kommunen zum Teil noch nicht einmal einen Rettungsdienst.“ So wurden bei einem Bonner Fahrzeugbauer erste Rettungswagen beschafft, notdürftig ausgestattet und mit erfahrenen Feuerwehrleuten besetzt, die zuvor beim Kreisarzt im Wohnzimmer in Erster Hilfe unterrichtet wurden. Das Learning by Doing wurde durch professionelle Konzepte für den Rhein-Sieg-Kreis ergänzt, die sich zum Teil im ersten Rettungsassistentengesetz des Landes aus dem Jahre 1989 wiederfanden und den Rettungsdienst professionalisierten.
Heute stößt das ehrenamtliche Engagement der Feuerwehrleute sowie die professionelle Zusammenarbeit von und mit Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei auf damals undenkbare, neue und gravierende Herausforderungen: auf eine Gesellschaft, in der eine zunehmende Respektlosigkeit gegenüber Einsatzkräften zu Hass und sogar Gewalt an Einsatzstellen führt. Ein Thema, dem sich zur Veranstaltung „Feuerwehr im Gespräch“ ein zweiter, fachkundiger Gesprächskreis widmete: Der Leitende Polizeidirektor Günter Brodeßer, Hennefs Bürgermeister Klaus Pipke als Sprecher der 19 Bürgermeister im Rhein-Sieg-Kreis, Kreisbrandmeister Dirk Engstenberg und NRW-Innenminister Herbert Reul berichteten den anwesenden Gästen von den Auswirkungen der Respektlosigkeit im Einsatzalltag. Beleidigungen sowie Bedrohungen gegen Einsatzkräfte und deren Familien, Gewaltandrohungen haben in den vergangenen Jahren spürbar zugenommen, so die Experten unisono.
„Ich will nicht zurückschauen und sagen, dass früher alles besser war, denn das stimmt auch nicht“, betonte Innenminister Herbert Reul, „aber das Zusammenleben funktioniert nur, wenn man sich an bestimmte Regeln hält. Dazu gehört auch der Respekt gegenüber Einsatzkräften. Und das hat sich deutlich verändert.“ Damit sei nicht allein Bedrohung oder Gewalt gemeint, unterstrich Reul, „dazu gehört auch die Beleidigung und die «dumme Rede». Da muss irgendwann eine Grenze gezogen werden.“ Eine Grenze, die im Moment nur schwer erkennbar sei, berichtete der Leitende Polizeidirektor Günter Brodeßer aus der Praxis: Nach 80 Widerstandshandlungen und tätlichen Angriffen auf Polizeibeamte im Jahr 2017 stieg die Zahl auf 92 Fälle im Jahr 2018. Für das Jahr 2019 rechnet Brodeßer angesichts des bisherigen Jahresverlaufs mit rund 120 Übergriffen. Selbst unbeteiligte Dritte würden sich an Einsatzstellen mit Beleidigungen einmischen oder, so jüngst geschehen, Einsatzkräfte grundlos mit Gegenständen bewerfen. Hier sei es wichtig, sämtliche Fälle sofort zu melden und zu verfolgen, warnte der NRW-Innenminister vor einer Bagatellisierung von Vorfällen: „Das muss konsequent geahndet werden.“ Zugleich sei es wichtig, in der Bevölkerung auf das Thema aufmerksam zu machen und Unterstützer zu motivieren, sich für mehr Respekt in der Gesellschaft stark zu machen, ergänzte Kreisbrandmeister Dirk Engstenberg: „Es geht darum, diejenigen, die auf unserer Seite sind, auf unserer Seite zu behalten. Wir stellen uns den Problemen gemeinsam entgegen und stehen zusammen.“ Genau das vermittelt auch die aktuelle Kampagne „Respekt – Bonn/Rhein-Sieg!“, für die der Innenminister Lob und Anerkennung aussprach: „Wir brauchen ein Aufbegehren der Bürgerschaft. Dann haben diejenigen, die sich daneben benehmen, keine Chance.“
Passend rur Gesprächsrunde “Respekt gegenüber Einsatzkräften” präsentierte der Kreisfeuerwehrverband den Film zur Respekt-Kampagne mit Tom Gerhardt in der Hauptrolle sowie seine Videobotschaft an alle Gäste. Hier geht es zur Videobotschaft und dem Film.